20.08.2024
Der Pfarrer starb im Alter von 67 Jahren Von Markus Herrbruck
Er hat sich so auf seinen Ruhestand gefreut. Befreit vom Druck des Pfarramtes inmitten seiner Familie zu sein, Zeit für sie und sich zu haben. Nur ein paar Wochen konnte das so sein. Plötzlich ist alles anders. Am Anfang macht er sich und anderen noch Mut. Das wird schon wieder! Was ist es? Unbarmherzig? Ungerecht? Tragisch? Um jedes Zeichen des Lebens muss er ringen. Andere kämpfen mit ihm, natürlich, seine Frau, seine Kinder. Sie sind ihm ganz nah. Hoffen und beten. Bestimmt wird es besser! Vielleicht kann er sogar nach Hause und dort versorgt werden. Viele Zeichen des Lebens und der Liebe umgeben ihn in diesen schweren Zeiten. Seine Frau liest ihm vor: „Wie schön war die Stadt Ninive“ von Klaus-Peter Hertzsch. Sie haben sich mit diesen Geschichten immer so aneinander gefreut. Und: Lächelt er nicht? Endlich ist sein Smartphone entsperrt und er hört seine Musik.
Ein Kampf für Veränderungen
1985 kommt Michael Wolf als junger Vikar in die Niederlausitz, geht dann von Doberlug-Kirchhain aus als Entsendungspfarrer nach Betten und bleibt. Hier ist er richtig. Das alte Pfarrhaus hat Platz für seine große Familie. In den Wendezeiten ist er hörbar, engagiert und klar. Ich sehe ihn auf dem Finsterwalder Marktplatz auf der großen Demo sprechen. Sehe ihn, wie er mutig und kämpferisch Veränderungen mitgestaltet. Eine große Zeit, die später nicht alle seine Hoffnungen und Träume Wirklichkeit werden lässt. Als Kreisjugendpfarrer bringt Michael seine wichtigen Themen zu den Jugendlichen: Eine gerechte Welt und die Bewahrung der Schöpfung. Ökologie und Nachhaltigkeit im biblischen Kontext. Er lässt sich nicht davon abbringen und mahnt. Eindringlich klingen seine Appelle an uns. Da bleibt er sich treu, auch wenn er manchmal daran leidet, dass Veränderungen und Einsichten schwer vorankommen.
Brücken zu bauen durch Musik
Er bleibt bodenständig und praktisch, packt an, nimmt sich oft seinen Traktor und fährt in den Wald, holt Baumstämme und macht Holz für das Pfarrhaus. Sein Bereich wird größer, etliche Gemeinden kommen dazu. Michael bleibt der verlässliche Pfarrer. Die Musik hilft ihm, Brücken zu bauen. Er spielt begabt Klavier, sitzt oft am Keyboard und begleitet Gottesdienste und Frauenkreise. Für ihn selber wird die Musik immer zur Kraftquelle. Seine Frau Heike und er sind ein wunderbares Team: Sie sammeln die Christenlehrekinder der Region mit großer Fantasie und Freude. Es ist oft bunt und lebendig dort in Betten rund um die Kirche. Ja, hier ist er richtig. 38 Jahre lang. Darf man das auch so denken: Trotz aller Klage um dieses abgebrochene Leben und dem Schmerz, auch gerade mit dem schweren und doch so tiefem letzten gemeinsamen Jahr: Dieses Leben hat sich in den Augen Gottes vollendet.